Der Journalismus befindet sich in einer Vertrauenskrise. Moderner Datenjournalismus bietet eine Chance, dieses Vertrauen zurück zu gewinnen.
Daten sind das Gold unserer Zeit. Während das Sammeln von Daten durch große Konzerne und Regierungen häufig kritisch beäugt wird, bieten sich für den Journalismus neue Möglichkeiten. Bereits seit einigen Jahren untersuchen Wissenschaftler die Wirkung von Datenvisualisierungen auf Leser im Hinblick auf Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit. Die Ergebnisse sind dabei sehr eindeutig: Gute Infografiken und visuell-ansprechende Darstellungen ergänzen die traditionelle Berichterstattung in Text und Bild positiv.
Vier Faktoren sollt ihr sein
Emanuel Bussemas von der Universität Münster hat nun in einer Studie untersucht, welche grundsätzlichen Dimensionen eine gute Infografik haben muss und wie diese den Leser beeinflussen. Dabei identifiziert Bussemas vier Hauptfaktoren: Verständlichkeit, Attraktivität, Glaubwürdigkeit und Interaktivität.
Wird ein Text um eine visuelle Ebene in Form einer Grafik erweitert, führt das zu einem schnelleren und besseren Verständnis der dargestellten Informationen. Ist der Text durch die Grafik besser verständlich, erhöht das gleichzeitig die Attraktivität. Dies rührt daher, dass ein Leser, der den Artikel leicht versteht, ein Zufriedenheitsgefühl beim Lesen empfindet und ihn daher auch als positiver bewertet. Weiter führt die vermeintliche Wissenschaftlichkeit von Grafiken zu einer höheren Glaubwürdigkeit. Zum einen ist die übersichtliche Aufbereitung der Information nachvollziehbarer als ein reiner Text. Zum anderen hat der Leser das Gefühl, dass er sich seine Informationen zur Meinungsbildung eigenständig zusammenstellen kann. Werden jetzt noch zusätzlich interaktive Elemente in die Grafik eingebaut, verstärkt das die anderen Faktoren. Durch das mögliche Ein- und Ausblenden bestimmter interaktiver Teile der Darstellung kann der Leser die für sich relevanten Informationen filtern.
Nackte Zahlen, bunte Bilder
Sind diese vier Faktoren hinreichend erfüllt, kann aus langweiligen Datenreihen eine attraktive Geschichte werden. Als ein besonders gelungenes Datenjournalismus-Beispiel führt der münsteraner Wissenschaftler ein 2016 auf Spiegel Online veröffentlichtes Projekt zur Entwicklung des weltweiten Terrorismus (Stotz, Döing & Elmer) an. Der Artikel beinhaltet neben dem eigentlichen Text drei interaktive Grafiken und eine interaktive kartographische Darstellung. In einem Experiment weißt der Wissenschaftler nach, dass die Kombination der interaktiven Elemente bei den Studienteilnehmern die höchsten Werte für Verständlichkeit, Attraktivität und Glaubwürdigkeit erzielt.
Wer jetzt aber glaubt, dass der bloße Einsatz von interaktiven Darstellungen das Heilmittel für die Vertrauenskrise im Journalismus ist, irrt. In der Studie wird betont, dass Glaubwürdigkeit von vielen weiteren, persönlichen Faktoren abhängt: Wird das Medium und die Quelle als seriös angesehen? Welches Weltbild hat der Leser und ist er überhaupt fähig, die interaktiven Grafiken zu nutzen und zu verstehen? Diese und weitere Punkte haben einen größeren Einfluss auf die Glaubwürdigkeit als interaktive Darstellungen selbst.
Der moderne Datenjournalismus bietet eine Möglichkeit, die immer komplexere Wirklichkeit abzubilden und für die Leser verständlich und erfahrbar zu machen. Das kann das Vertrauen in den Journalismus stärken. Aber Vorsicht: auch interaktive Darstellungen sind nicht vor tendenziöser oder populistischer Auslegung gefeit. Die Menschen vertrauen nicht der Grafik, sondern dem Journalisten, der dahinter steht.
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