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Virtuelle Stakeholder-Dialoge – ein Trend für die Zukunft?

Lesedauer: 4 Minuten

Seit der Corona-Pandemie ist in allen Branchen ein Virtualisierungsschub zu beobachten. Die Verlagerung in digitale Räume bringt in vielen Bereichen neue Chancen und nie dagewesene Möglichkeiten mit sich, doch stößt sie an ihre Grenzen, wenn persönlicher Austausch im Mittelpunkt steht. Stakeholder-Dialoge leben von zwischenmenschlicher Kommunikation. Kann es gelingen, sie in digitale Räume zu verlagern, ohne ihren persönlichen Charakter zu verlieren? Antworten auf diese Frage liefert die 2022 von Forschenden der Universität Leipzig veröffentlichte Studie „Zwischen Aufbruch und Konvention – Grundlagen und Grenzen virtueller Stakeholder-Dialoge in der strategischen Kommunikation von Organisationen“. 

Stakeholder-Dialoge sind für Unternehmen ein wichtiges Format, wenn es um den Austausch mit kritischen Interessengruppen geht, um Beziehungen zu relevanten Stakeholdern aufzubauen sowie gesellschaftliche Akzeptanz und Legitimation zu schaffen. Im Zuge der digitalen Transformation – und durch die Corona-Pandemie beschleunigt – findet der Austausch mit internen und externen Bezugsgruppen zunehmend in digitalen Räumen statt.

Risiken virtueller Stakeholder-Dialoge

Eine Einschränkung im digitalen Raum ist die fehlende persönliche Atmosphäre. So fällt es schwer, nonverbale Signale, Mimik und Aufmerksamkeit seines Gegenübers wahrzunehmen oder zu wissen, ob Teilnehmer:innen überhaupt zuhören und Diskussionen mitverfolgen. Spontanität und Authentizität gehen in digitalen Formaten ebenfalls verloren. Auch der ungezwungene Austausch zwischen den offiziellen Dialogen und der damit verbundene Vertrauensaufbau zwischen Teilnehmern:innen wird dadurch erschwert, dass persönliche Gespräche in Pausen wegfallen. Und auch im Nachgang gibt es nicht wie bei Präsenztreffen die Möglichkeit zu kleinen Nachgesprächen, weil Teilnehmer:innen die virtuellen Räume unmittelbar nach Programmende verlassen. Die schwer zu kalkulierende Teilnehmerzahl und die häufig kurzfristigen Absagen stellen Veranstalter:innen vor weitere Herausforderungen. Dadurch, dass im digitalen Raum Hürden wegfallen, befürchten viele ein Überangebot und damit entstehende Abnutzungseffekte. Abhängig von der Gestaltung des virtuellen Stakeholder-Dialogs werden Einsparungen bei Reisekosten und Catering schnell durch kostspielige Technologien ausgeglichen oder sogar überwogen. Das alles erschwert die Virtualisierung von Stakeholder-Dialogen.

Chancen virtueller Stakeholder-Dialoge

Neue Möglichkeiten bieten digitale Räume durch die Unabhängigkeit von Ort und Zeit sowie durch geringere Teilnahmehürden. So ist es für Stakeholder einfacher, an Dialogen mit Organisationen teilzunehmen und es lassen sich größere Gruppen von Stakeholdern erreichen. So zeigt sich im virtuellen Raum ein Anstieg des Commitments und der Teilnahmebereitschaft, weil nicht ein ganzer Tag, sondern ausschließlich ein Vormittag für die Veranstaltung eingeplant werden muss und die häufig aufwendige Anreise entfällt. Zudem bietet die Technologie außer der besseren Planbarkeit von Veranstaltungen viele neue Möglichkeiten, die Teilnehmer:innen einzubinden und in einen effizienten und effektiven Dialog zu bringen, der häufig zu einer größeren Effizienz und schnelleren Einigung führt. Dank Online-Umfragen können Veranstalter:innen im Nachgang eines virtuellen Stakeholder-Dialogs unkompliziert und kostengünstig Feedback einholen. Unternehmen profitieren darüber hinaus von der besseren Skalierbarkeit bei digitalen Formaten. 

Entscheidungsmodell zur Gestaltung von Stakeholder-Dialogen

Die konkrete Umsetzung des Stakeholder-Dialogs sollte von dessen Sinn und Zweck abhängig gemacht werden. So kann der Abgleich der eigenen strategischen Ziele wie zum Beispiel Beziehungsaufbau oder Mitgestaltung der Stakeholder mit den Chancen und Risiken von virtuellen Stakeholder-Dialogen als Entscheidungsmodell dienen. Das Entscheidungsmodell soll Hilfestellung bei der Entscheidung für oder gegen ein virtuelles Format für den Stakeholder-Dialog bieten. Denn virtuelle Stakeholder-Dialoge variieren in ihrer Eignung zur Erreichung strategischer Ziele stark. Folglich sollte die Virtualisierung eines Stakeholder-Dialogs immer situativ abgewogen und entschieden werden.

Die Top 3 Handlungsempfehlungen

  1. Die eigenen strategischen Ziele mit den Chancen und Risiken virtueller Stakeholder-Dialoge abgleichen.
  2. Die Virtualisierung von Stakeholder-Dialogen immer situativ entscheiden.
  3. Stakeholder-Dialoge nur im digitalen Raum durchführen, wenn dadurch ein Mehrwert entsteht.

Angaben zur Studie

Autor:innen: Daniel Ziegele, Hannah Kurtze & Ansgar Zerfaß

Methode: Teilstandardisierte, qualitative Experteninterviews. Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse

Stichprobe: Kommunikationsverantwortliche aus 23 Unternehmen, 8 Kommunikationsberatungen, 2 Organisationsberatungen und einem Think Tank

Erhebungszeitraum: Frühjahr 2021

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