Erwartungen prägen unsere Entscheidungen und Einstellungen. Doch wie können wir Kundenerwartungen analysieren und für uns nutzen?
rwartungen bestimmen unser Handeln und Denken. Ganz gleich, ob sie hoch gesteckt oder bewusst gering gehalten werden – wir stellen sie an jede Situation in der wir uns befinden, aber auch an jeden Kommunikationspartner und damit auch an Unternehmen. Ob Erwartungen erfüllt oder enttäuscht werden kann durchaus erfolgsentscheidend für Organisationen sein. Wenn sie jedoch eine so ausschlaggebende Rolle spielen, wieso wird das Prinzip der Erwartungshaltung dann nicht intensiver erforscht und die gewonnenen Erkenntnisse unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt? Ein finnisches Forscherduo hat sich diese Frage ebenfalls gestellt und ist den allumgebenden Erwartungen und ihren Auswirkungen auf Unternehmen sowie deren PR-Strategien auf den Grund gegangen.
Wie lassen sich Erwartungen eigentlich definieren?
Die Aufgabe eines Erklärversuches des vielschichtigen Konstrukts der Erwartungen veranlasste die Forscherinnen Olkkonen und Luoma-Aho zu einer intensiven Literaturrecherche, in deren Rahmen sie sich auch mit Forschungen über Kundenzufriedenheit auseinandersetzten. Laut ihren Ergebnissen würden Erwartungen zwar stets in Zusammenhang mit zentralen Unternehmenskonzepten wie Reputation, Verantwortung, Kundenbeziehungen und Vertrauen gebracht werden. Feststehende Definitionen seien trotz der offensichtlichen Relevanz in der Literatur jedoch kaum vorzufinden. Um eine eigene Definition herleiten zu können richteten sie sich daher nach den verschiedenen Ursprüngen von Erwartungen, die im Zusammenhang mit der Kundenzufriedenheit genannt wurden und leiteten hieraus vier Kategorien ab. Demnach würden Erwartungen entweder auf eigenen Werten, auf Wissen durch Informationen, auf Erfahrungen oder persönlichem Interesse basieren.
Einordnung von Erwartungen in der Praxis
Doch wie nutze ich diese Erkenntnisse im Arbeitsalltag, um die an mein Unternehmen gestellten Erwartungen analysieren zu können? Gestützt auf die vier erarbeiteten Ursprünge entwickelten die Forscherinnen ein Erwartungs-Raster (Expectation Grid), welches es ermögliche Meinungen einer bestimmten Erwartungshaltung zu zuordnen. Zu unterscheiden gelte dabei zum einen die Tonalität einer Äußerung, welche positiv oder negativ ausfallen könne. Zum anderen müsse der Kontext beachtet werden, an dem abzulesen sei, ob der Kommunikator hohe oder niedrige Erwartungen an das Unternehmen stelle. Je nach Tonalität oder Kontext ließen sich vier unterschiedliche Erwartungs-Typen ableiten: optimistisch, blindes Vertrauen in ein Unternehmen, pessimistisch und zynisch.
Doch was nun?
Das Raster solle Unternehmen die Möglichkeit bieten, jegliche Meinungsäußerung, gemessen an Tonalität und Kontext, einer dieser vier Kategorien zu zuordnen. Anhand dieser Analyse sei es möglich, je nach ermittelter Erwartungshaltung geeignete Kommunikationsmaßnahmen zu entwickeln, die auf lange Sicht die Reputation des Unternehmens stärken sollen. Da Erwartungen jedoch ein komplexes Geflecht aus verankerten Werten, direkten oder indirekten Erfahrungen, Informationen aus verschiedensten Quellen und vielem mehr sind, erscheint deren Einordnung in nur vier Kategorien recht oberflächlich. Trotzdem zeigt die Studie auf, dass das Thema der Erwartungshaltung großes Potential, sowohl für die Forschung als auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, beinhaltet. Obwohl das System noch ein wenig unausgereift ist, können erste Schritte zur Einflechtung von Erwartungsanalysen in die Strategieentwicklung eingeleitet werden. So wird regelmäßiges Monitoring aller unternehmensrelevanten Kanäle empfohlen. Anhand von kritischen Äußerungen oder Wünschen können so Erwartungen abgeleitet werden, auf die das Unternehmen reagieren kann. Außerdem sollten keine falschen Versprechen gemacht werden, die nicht eingehalten werden können. Enttäuschte Erwartungen oder das Bestätigen von Pessimisten und Zynikern kann schnell zu einem Reputationsschaden führen, dessen Behebung viel Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt. Eine gewisse Transparenz und klare Informationslage ist deshalb unablässig für angepasste Erwartungshaltungen gegenüber der Organisation. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Unternehmen nicht mehr für seine guten Leistungen werben darf – es sollte jedoch in einem realistischen Rahmen passieren.
© Foto von Martin Sattler