Junge PR-Praktiker überschätzen sich in Bezug auf ethische Herausforderungen. Könnten spezielle Ethik-Kurse an der Uni helfen?
albseidene Klienten, verschleiertes Native-Advertising, verfälschte Erhebungsdaten – ethisch fragwürdige Umstände wie diese sind für angehende PR-Praktiker ein heikles Thema. Oft fehlen das Selbstbewusstsein und fast immer die Erfahrung, um souverän auf Probleme zu reagieren. Die Konsequenz: Statt Position zu beziehen, ignorieren Berufsanfänger ethische Herausforderungen oder geben sie lieber an den Vorgesetzten weiter.
Alle sind sich einig: Ethik muss sein!
Dabei sind sich sowohl Dozenten als auch Praktiker einig: Ethik ist eine der wichtigsten Säulen der PR. Im Beruf kommen entsprechende Fortbildungen aber meist zu kurz. Die Lösung: Man vermittelt den jungen Praktikern ethische Grundlagen schon an der Uni. Die meisten amerikanischen PR-Studiengänge bieten Ethik aber nicht als eigenen Kurs an. Die Inhalte werden stattdessen in den restlichen Seminaren als Randnotiz behandelt, zum Beispiel in Einführungsveranstaltungen zu allgemeinen Public Relations.
Doppelt gemoppelt hält besser – der ideale Ethikkurs
Die amerikanische Wissenschaftlerin Marlene O. Neill hat deshalb knapp einhundert PR-Dozenten befragt, wie für sie der ideale Ethik-Kurs aussähe. Herausgekommen sind dabei fünf Punkte, die man berücksichtigen sollte:
- Die Kombi macht’s: Fast die Hälfte der Dozenten gibt an, dass eine Kombination aus einem PR-Ethikkurs und zusätzlichen Ethikdiskussionen in anderen Seminaren ideal wäre.
- Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: In den Seminaren werden oft Ethikfragen auf persönlicher Ebene besprochen. Dass man dem Kollegen den Apfel nicht aus dem Kühlschrank klauen soll, ist aber selbstverständlich. Wie man als Einzelner mit größeren Problemen umgeht, die die ganze Firma betreffen, bleibt oft auf der Strecke. Die Lösung: sich in den Ethikseminaren nicht an Kleinigkeiten aufhängen, sondern Fallbeispiele zu übergreifenden Problemen wie zum Beispiel Intransparenz oder Korruption durchspielen.
- Reden, reden, reden – aber bitte nicht nur untereinander: Gruppendiskussionen sind das Mittel der Wahl, um die Studenten für Ethik zu sensibilisieren. Empfohlen werden aber eher Rollenspiele und Gastredner, die aus ihrem beruflichen Alltag berichten. Aktuelle Fallbeispiele sind ebenfalls sinnvoll.
- Weniger Philosophen, mehr Anleitungen: Große philosophische Theorien über Ethik sind faszinierend – leider kann sie kaum einer der Studenten in der Praxis anwenden. Konkrete Modelle, wie man mit ethischen Probleme umgeht, sind hilfreicher.
- Andere Länder – andere Sitten? Unternehmen arbeiten immer internationaler – eine globale Perspektive auf Ethik einnehmen zu können, ist deshalb wichtig. Nicht alles, was zum Beispiel in den USA verwerflich ist, wird auch in anderen Ländern so gesehen. Trotzdem sollten die Studenten lernen, zwischen allgemeinen Normen und landesspezifischen Feinheiten zu unterscheiden.
Die Umfrageergebnisse beziehen sich ausschließlich auf amerikanische Universitäten. Deutsche Ethik-Dozenten können ihre Seminare aber auch gut anhand der Checkliste im Schnelldurchlauf prüfen. Fraglich ist nur, ob man die Ethik-Sensibilisierung komplett auf die Unis abwälzen sollte. Die Umfrageergebnisse bieten auch eine gute Grundlage für deutsche PR-Praktiker, um ihren Nachwuchs zu fördern.
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© Foto von Diego PH