Andere Länder, andere Sitten – dieses Sprichwort ist in Zeiten der Globalisierung aktueller denn je. Kommunikatoren, die sich mit den Konventionen anderer Kulturen nicht auskennen, laufen schnell Gefahr in Fettnäpfchen zu treten.
m diese Frage zu beantworten, verglichen die neuseeländische Forscherin Margalit Toledano und ihre israelische Kollegin Ruth Avidar die ethischen Standards ihrer jeweiligen Heimatländer. Der Fokus lag dabei auf dem professionellen Umgang mit Social-Media-Plattformen. Aus vorangegangenen Gruppendiskussionen mit Branchenexperten leiteten sie kritische Statements ab, die anhand eines Online-Fragebogens von PR-Praktikern bewertet wurden. Ziel war es, global gültige Wertvorstellungen zu identifizieren sowie mögliche Spannungsfelder zu lokalisieren.
Ein Ländervergleich
Für eine erste Übersicht auf das ethische Grundverständnis beider Länder, lohnt sich ein Blick auf die Einhaltung geltender Grundrechte. Im internationalen Vergleich verorten zahlreiche etablierte Indices Neuseeland auf einer Spitzenposition, während Israel sich meist im unteren Mittelfeld bewegt. So schätzt Reporter ohne Grenzen die Pressefreiheit in Neuseeland als weitestgehend uneingeschränkt ein (Platz 5 von 180). Israel hingegen belegt, bedingt durch militärische Übergriffe auf ausländische Journalisten, lediglich Platz 101. Auch Korruption wird in Israel wesentlich stärker toleriert als in Neuseeland. Diese Tatsache lässt vermuten, dass Israeli auch im Bereich Public Relations ethische Werte wesentlich freier interpretieren als ihre neuseeländischen Kollegen.
Gelernt wie?
Daneben spielt die Ausbildung eine zentrale Rolle für die Entwicklung eines moralischen Bewusstseins. Während sich neuseeländische Praktiker in Bezug auf ethische Aspekte gut geschult fühlen, schätzen sich ihre israelischen Kollegen als schlechter ausgebildet ein. Auch die Bereitschaft, Verantwortung für die Ausbildung in Ethikfragen zu übernehmen, wurde von Praktikern aus Israel als geringer bewertet.
Von Transparenz keine Spur!
Die Studie diskutiert vor allem die Transparenz von Kommentaren. Das Verschleiern der eigenen Identität sowie das Posten von Kommentaren unter falschem Namen gehört in beiden Ländern zur üblichen Praxis. Gefälschte Kommentare, Erfahrungsberichte oder Produktbewertungen werden oftmals sogar als Dienstleistung angeboten. Auch das Thema Sponsoring von Bloggern sorgt nach wie vor für Diskussionsstoff in der Branche – gerade in Verbindung mit fehlender Transparenz. Dies wird auch im Ländervergleich deutlich. Zwar stimmt der Großteil der Befragten darin überein, dass bezahlte Blogposts im Bestfall klar gekennzeichnet sein sollten, jedoch ist diese Maßnahme lediglich obligatorisch. Dass hierbei Personen von einer scheinbar unabhängigen Meinung getäuscht werden, ist nebensächlich. Das Schummeln mit der Intransparenz der Urheberschaft scheint, so die Ergebnisse der Studie, in beiden Ländern eine gängige Praxis zu sein. PR-Praktiker aus Israel sehen dies jedoch weit weniger kritisch als ihre neuseeländischen Kollegen.
Negative Campaigning
Doch wie sieht es im Extremfall aus? Sollten Unternehmen Blogger dafür bezahlen, Gerüchte und Negativmeldungen über Konkurrenten zu streuen? Die überwiegende Mehrheit der Befragten lehnt diese Form der PR kategorisch ab. Israelische Experten neigen jedoch wesentlich stärker dazu, solche Praktiken in ihrem Kollegenkreis zu tolerieren. Noch deutlicher wird dies am Beispiel von Front Groups. Ein Viertel der israelischen PR-Verantwortlichen würde eine Gruppe von Aktivisten dafür bezahlen, die eigene Unternehmenssicht auf Social Media-Plattformen zu verteidigen. Von den neuseeländischen Befragten stimmte hingegen niemand zu.
Alles eine Frage der Kultur?
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in beiden Ländern PR-Praktiker agieren, die ethische Richtlinien bewusst missachten. Dennoch lässt sich die Tendenz ablesen, dass ethische Standards in der PR maßgeblich von allgemeinen Moral- und Wertvorstellungen geprägt sind. Je stärker das Demokratieverständnis in der jeweiligen Kultur ausgeprägt ist, desto strengere Maßstäbe werden auch an das eigene Berufsverständnis angelegt. Um peinliche Fettnäpfchen im Ausland zu vermeiden, empfiehlt es sich deshalb zunächst einen Blick auf verschiedene Menschenrechts-Indices zu werfen – denn nur wer andere Wertvorstellungen versteht, kann auch erfolgreich kommunizieren.