Sich mit Freunden in der Whatsapp-Gruppe verabreden oder unterwegs schnell mal ein Fremdwort nachschlagen – das Smartphone ist für die meisten Menschen aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Doch wie wird ein bestimmtes Produkt für uns unverzichtbar?
och wie definiert sich überhaupt ein unverzichtbares Produkt? Kurz gesagt: Ein Produkt, von dem jemand sagt, dass er nicht mehr ohne es leben kann. Das kann alles Mögliche sein und ist individuell sehr verschieden – für viele junge Menschen ist es das Smartphone, für den Familienvater kann es der Kombi sein, für die Rentnerin die Nähmaschine. Diese Definition geht weit über den objektivistischen Ansatz hinaus, der zwischen Grundbedürfnissen wie Luft, Wasser, Nahrung, Kleidung und Unterkunft sowie Luxusgütern, die man nicht zwingend zum Leben benötigt, unterscheidet. Denn was wir als Notwendigkeit ansehen, ist auch von unserer Kultur, unserem sozialen Umfeld sowie von unserem Alter und Geschlecht abhängig.
Erzählungen zeigen Individualität von Konsumenten
Mit Hilfe qualitativer Inhaltsanalysen fanden Forscher heraus, welche Schritte ein Produkt durchlaufen muss, um für den Konsumenten unverzichtbar zu werden. Grundlage der Untersuchungen waren offene Interviews sowie schriftlich vorliegende Essays zweier unabhängiger Stichproben. Durch den qualitativen Ansatz der Studie war es möglich, die Individualität der Konsumenten auch in den Ergebnissen zu berücksichtigen.
In fünf Schritten zur Notwendigkeit
Anhand der Aussagen definierten die Forscher fünf aufeinander aufbauende Schritte, die den Prozess vom gewöhnlichen zum unverzichtbaren Produkt beschreiben:
• Eingewöhnung
• Transformation: Ansteckung oder Loslösung
• Gute oder schlechte Erinnerungen
• (Wieder-)Eingliederung und Neuaufbau
• Verfestigung
In der Eingewöhnungsphase taucht das Produkt erstmals in der Lebenswelt des Konsumenten auf. Es ist dabei nicht unbedingt notwendig, es selbst zu besitzen. Auch die bloße Konfrontation mit dem Produkt, beispielsweise durch Freunde oder Medien, reicht aus, um den Konsumenten zu triggern. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der ersten Schminkversuche junger Mädchen: Fangen die Freundinnen an sich zu schminken, weckt dies auch das eigene Interesse an Make-Up, um sich als Teil der Gruppe zu fühlen.
Die darauffolgende Transformationsphase basiert auf einem einschneidenden Ereignis, das die Wahrnehmung des Produkts nachhaltig beeinflusst. Dies kann sowohl ein negatives als auch ein positives Erlebnis sein. Bei der „Ansteckung“ ist ein negatives Ereignis der Auslöser dafür, dass der Konsument ein Produkt erstmals als mögliche Notwendigkeit wahrnimmt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich ein potenzieller Konsument hoffnungslos in einer fremden Stadt verläuft – mit einem Smartphone wäre dies möglicherweise nicht passiert. Bei der „Loslösung“ hingegen ist ein positives Erlebnis ausschlaggebend. Ein junges Mädchen beispielsweise, welches sich zum ersten Mal schminkt und dafür Komplimente bekommt, misst dem Produkt später einen höheren Stellenwert bei.
Die Erinnerungsphase baut direkt auf diesem Ereignis auf und führt dem Konsumenten die guten beziehungsweise schlechten Erfahrungen noch einmal vor Augen. Am Beispiel des Smartphones erinnert sich der Konsument an die negativen Konsequenzen davon, dass er in einer ausweglosen Situation kein Smartphone hatte: Er war hilflos in einer fremden Stadt. Im Falle des Makeups fühlt sich die Konsumentin hübsch und beachtet, weshalb sie sich an die positiven Auswirkungen des Produkts erinnert.
Anschließend erfolgt die Phase der (Wieder-)Eingliederung und des Neuaufbaus. Zu diesem Zeitpunkt nimmt das Produkt eine wesentliche Rolle im Leben des Konsumenten ein. Er beschäftigt sich eingehend mit dem Produkt und lernt seine Funktionen kennen.
Die letzte Phase ist die Verfestigung. Der Konsument sieht das Produkt nun endgültig als unverzichtbar an. Es ist sowohl mental als auch physisch ständig präsent und wird zu einem festen Bestandteil der Alltagsroutine. Um bei den beiden Beispielen zu bleiben, nimmt der orientierungslose Konsument sein Smartphone von nun an überall mit hin, während das junge Mädchen nicht mehr ungeschminkt aus dem Haus geht.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine Einteilung von Produkten in Grundbedürfnisse und Luxusgüter nicht ausreicht. Vielmehr müssen soziale, historische und kulturelle Aspekte beachtet werden, um herauszufinden, warum manche Produkte im Alltag der Konsumenten unverzichtbar sind. Die Einteilung in fünf Phasen hilft dabei, die individuellen Erlebnisse der Konsumenten mit einem Produkt zu berücksichtigen. Sie unterstützt dabei herauszufinden, welches Ereignis dazu geführt hat, dass Konsumenten sich ein Leben ohne das Produkt nicht mehr vorstellen können und dieses anschließend gezielt zu triggern.
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📖 Weiterlesen: Braun, J., & Zolfagharian, M. (2016). How Does a Product Gain the Status
of a Necessity? An Analysis of Necessitation Narratives. Psychology & Marketing, Vol. 33(3), March 2016, 209-222.