In Zeiten allgegenwärtiger Krisen wird es für Unternehmen immer wichtiger, kritische Themen gar nicht erst zu Krisen werden zu lassen. Issues Management hilft bei der Erkennung und Bearbeitung von Risiko-, aber auch Chancenthemen.
Er ist aufgrund seiner Promotion zu diesem Thema an der Universität Salzburg und internationaler Praxiserfahrung im Issues Management der personifizierte Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis. PRtransfer hat mit dem freien Berater über die strategische Bedeutung des Issues Managements für Chancen- und Risikothemen gesprochen.
Paradigma strategischer Unternehmenskommunikation
In der wissenschaftlichen Literatur wird Issues Management meist als systematischer Managementprozess bezeichnet. Auch Lütgens spricht vom Issues Management als dem „Paradigma der strategischen Unternehmenskommunikation“. Dazu dürften die verantwortlichen Kommunikatoren potenziellen Krisen aber nicht immer nur reaktiv hinterherlaufen. Mit Blick auf die Praxis stellt Lütgens fest: „Issues werden oft nur kurzfristig und ad-hoc bearbeitet“. Die proaktive Behandlung von Themen komme hierbei meist zu kurz.
Doch nicht nur das Monitoring, sondern auch die nachfolgenden Schritte wie das Priorisieren von Issues, die Entwicklung von Strategien sowie die Durchführung und Evaluation von Kommunikationsmaßnahmen sollten in der Praxis eine hohe Priorität haben.
Nicht nur Krisen, sondern auch Chancen
Der Blick in die Praxis zeige ebenfalls, dass Issues oft erst behandelt würden, wenn sie bereits zu einer Krise geworden sind. Proaktiv ließe sich ein Issue immer noch verhandeln und mit etwas Geschick zu einer Win-Win-Situation führen. In der Krise sind die Positionen bezogen und Fronten gebildet – „dann wird es einen Verlierer geben müssen“ sagt Lütgens.
Deshalb mache es selbstverständlich Sinn, nicht erst mit der Krisenkommunikation, sondern dem vorgelagerten Schritt des Issues Managements in die Bearbeitung von kritischen Themen einzusteigen. Schließlich könnten sich aus vielen Themen auch Chancen durch die aktive Bearbeitung ergeben. An dieser Stelle fehlten Unternehmen jedoch oft die notwendigen Ressourcen, weshalb es beim Versuch bliebe, Krisen reaktiv einzudämmen.
Prävention durch Legitimation, Verteidigung und Rechtfertigung
Für Lütgens ist klar: „Nicht jede Krise lässt sich durch strategisches Issues Management vermeiden“. Es gibt schließlich auch Krisen, die im wahrsten Sinne des Wortes „vom Baum fallen“. Doch insbesondere kommunikative Krisen, die oft selbst verschuldet – „Irgendwo eine blöde Antwort gegeben oder nicht vernünftig kommuniziert und schon haben Sie eine Kommunikationskrise“ – und somit vermeidbar gewesen wären, könnten durch Issues Management in geordnete Bahnen geführt werden. Deshalb lohne es sich für Kommunikatoren, bereits vor der Bearbeitung eines Themas im Krisenmanagement einzugreifen und präventiv zu handeln.
Insbesondere durch die Digitalisierung nehme die Relevanz von Issues Management noch einmal zu: Um als Unternehmen auch künftig Erfolg zu haben, sieht Lütgens eine zentrale Bedeutung in der „Legitimation, Verteidigung und Rechtfertigung von Unternehmenspositionen im Austausch mit allen gesellschaftlichen Gruppen“.
Fazit
Es zeigt sich, dass die strategische Ausrichtung des Issues Managements an Themen und Stakeholdern unabdingbar ist. Gerade weil sich manche Themen sehr langsam entwickeln, bietet sich hier für Verantwortliche die Chance, kritische Themen positiv zu beeinflussen. In vielen Fällen bleibt dieser Eingriff – vermutlich auch aus finanziellen Gründen – jedoch leider aus. Dabei bietet insbesondere die Verbreitung von sozialen Medien vielfältige Möglichkeiten, sich auch über Chancenthemen positiv gegenüber den Stakeholdern zu positionieren.