Dem Besuch einer Unternehmensseite in sozialen Medien liegen – je nach Stakeholdergruppe – verschiedene Nutzenmotive zugrunde. Das zeigt eine Studie der Schweizer Universität Fribourg und stellt außerdem heraus: Politiker bevorzugen Twitter, Digital Natives dagegen Facebook.
Welche Motive haben Politiker und Digital Natives, die Profilseiten von Unternehmen auf Facebook, Twitter und Youtube zu nutzen? Dieser Forschungsfrage geht die Studie von C. Rühl und D. Ingenhoff nach. Um sich einer Antwort anzunähern, führten die Forscher Gespräche mit zwei relevanten Anspruchsgruppen: mit insgesamt 29 Politikern der Schweizer Bundesversammlung sowie mit 36 Digital Natives – jungen Erwachsenen, die im Internetzeitalter groß geworden und mit Social Media entsprechend vertraut sind.
Konsumieren, partizipieren, produzieren: Was motiviert wen wozu?
Motive der konsumierenden Nutzung, also das reine Lesen oder Betrachten von Inhalten, verfolgen Digital Natives eher als Politiker. Beide Gruppen gaben an, auf Unternehmensprofilseiten vor allem nach Neuigkeiten zu suchen: Politiker interessieren sich z.B. für Meldungen in Form von politischen Statements und Pressemitteilungen. Digital Natives recherchieren insbesondere Informationen zu neuen Produkten und Dienstleistungen und ziehen dafür gerne Produktbilder und -videos heran. Auch mit inspirierenden und unterhaltenden (visuellen) Inhalten sowie mit Rabatten und Gewinnspielen können Unternehmen die „digitalen Eingeborenen“ zur Rezeption anregen.
Gewinnspiele, Gutscheine & Co. sind für Digital Natives zusätzlich der Hauptgrund für partizipierende Nutzung, sprich das Bewerten und Teilen von Beiträgen oder das Vernetzen mit einem Unternehmen in Social Media. Politiker dagegen vernetzen sich vor allem aus beruflichen Gründen und um ihre Unterstützung für kantonale Unternehmen auszudrücken. Hier klingt bereits an, dass partizipierende Nutzung auch der digitalen Image-Pflege dient: Politiker wollen ihre Wähler beeindrucken, Digital Natives ihren Lifestyle nach außen tragen. Durch „liken“ und vernetzen erleichtern sich die Anspruchsgruppen außerdem die Versorgung mit gewünschten Informationen (s.o.), diese erscheinen dann nämlich automatisiert in ihrem Newsfeed.
Eigene Inhalte in Form von Text, Bild, Audio- oder Videomaterial erstellen und veröffentlichen die Stakeholdergruppen am seltensten (produzierende Nutzung). Wenn, dann aufgrund sozialer Motive: Digital Natives etwa nutzen Unternehmensprofile, um Fragen zu Produkten oder Dienstleistungen zu stellen und zu beantworten oder um Meinungen über das Unternehmen und seine Produkte zu diskutieren.
Youtube abgeschlagen
Auch wenn die bevorzugte Plattform der jeweiligen Stakeholdergruppe je nach Motiv verschieden war, zeichnet die Studie einen Trend: Facebook scheint besonders für die Kommunikation mit Digital Natives, Twitter hingegen für die Kommunikation mit Politikern relevant. Youtube spielte insgesamt eine untergeordnete Rolle. Nur zwei der 36 befragten Digital Natives und kein einziger Politiker hatten zuvor Unternehmensseiten auf der Videoplattform besucht.
- Auf Facebook gezielt interessante Inhalte für Digital Natives platzieren, auf Twitter eher für Politiker
- Digital Natives mit Produktinformationen und unterhaltsamen, (audio)visuellen Inhalten ansprechen
- Berufliche Nutzung durch Politiker beachten und z.B. Links zu Pressemitteilungen auf Twitter publizieren
- Bedürfnis nach Interaktion zu Kundenservice-Themen nachkommen und den Dialog im Unternehmen fachmännisch betreuen
- Leitfadengespräche mit 29 Politikern (20 männlich, 9 weiblich; Durchschnittalter 44) und 36 Digital Natives (11 männlich, 25 weiblich; Durchschnittsalter 24) im Juni 2013.
- Politiker mit mindestens einer Netzwerkverbindung zu Unternehmen auf Facebook und/oder Twitter, Ausgangspunkt waren alle Mitglieder der Schweizer Bundesversammlung
- Digital Natives aus dem Bekanntenkreis von Studierenden der Universität Fribourg mit mindestens eine Netzwerkverbindung zu Unternehmen auf Facebook und/oder Twitter.
- Erfragt wurden Nutzenmotive für Unternehmensseiten auf Facebook, Twitter und Youtube
Stärke der Studie: Ergebnistiefe durch qualitative Auswertung der Gespräche
Schwäche der Studie: Kleine Stichprobe, die hinsichtlich der Geschlechterverteilung vor allem bei den Digital Natives wenig repräsentativ scheint. Die Gruppe der Digital Natives ist im Vergleich zu den Politikern sehr grob definiert – in welcher Rolle nutzen Digital Natives die Profilseiten von Unternehmen?
📖 Weiterlesen: Rühl, C. & Ingenhoff, D. (2015): Kommunikationsmanagement und Social Media: Motive und Nutzungsformen von Unternehmensprofilseiten auf Facebook, Twitter und YouTube. In O. Hoffjann & T. Pleil (Hrsg.), Strategische Onlinekommunikation. Theoretische Konzepte und empirische Befunde. Wiesbaden: Springer VS.