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Social Media: Wenn einer spricht und alles schweigt

Lesedauer: 3 Minuten

Heute sind soziale Netzwerke die Kneipe, in der jeder seine Meinung äußern kann. Dabei fragen sich viele, inwieweit die verbreiteten Ansichten die Wahrnehmung der öffentlichen Meinung beeinflussen. Und wie wirkt sich diese Wahrnehmung auf das eigene Verhalten in sozialen Netzwerken aus?

Die beiden Wissenschaftler Thomas Zerback und Nayla Fawzi von der Ludwig-Maximilians-Universität in München wollten genau das mithilfe eines Online-Experiments herausfinden. Dazu suchten sie sich ein aktuelles und moralisch aufgeladenes Thema aus. Nach einem kurzen Videoclip, in dem ein junger Einwanderer ein deutsches Kind mobbt, wurde den Teilnehmern zufällig eine von sechs Facebook-Diskussionen zu dem Thema „sollten gewalttätige Einwanderer abgeschoben werden?“ gezeigt. Dabei äußerten sich je nach Diskussion entweder nur Befürworter oder nur Gegner oder es kamen beide Seiten zu Wort. Außerdem variierte zusätzlich die Zahl der Befürworter und Gegner. Personen, die eine größere Gruppe repräsentieren, Charaktereigenschaften einer Gruppe teilen und in den Medien dargestellt werden, nennt man Exemplars. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Meinung von Exemplars beeinflusst, wie das Meinungsklima in der Bevölkerung empfunden wird. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die eigene Bereitschaft zu sprechen. Denn wer glaubt, er sei mit seiner eigenen Meinung in der Minderheit, spricht bzw. kommentiert seltener. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Schweigespirale.

User unterscheiden zwischen online und offline

Die Angst, dass vor allem junge Menschen die reale Welt nicht mehr von der Online-Welt unterscheiden können, ist unbegründet. Die dargestellten Meinungen hatten keinerlei Einfluss darauf, wie die Teilnehmer die öffentliche Meinung der Bevölkerung in Deutschland wahrnehmen. Online-Meinungen wurden also nicht auf die Offline-Welt übertragen. Allerdings zeigte sich ein Effekt, wenn die Teilnehmer das Meinungsklima online einschätzen sollten. Hierbei orientierten sie sich an den gezeigten Meinungen und übertrugen diese auf die Internetnutzer in Deutschland. Dies verstärkte sich, je mehr Exemplars mit der gleichen Meinung vertreten waren.

Angst sich zu äußern

Ein Ergebnis ist, dass die Bereitschaft zu kommentieren oder zu diskutieren sinkt, wenn die gezeigte Meinung der eigenen widerspricht. Die Gründe hierfür können unterschiedlich sein. Sowohl die Angst vor negativen Reaktionen als auch die fehlende Bereitschaft zu diskutieren und auf andere Standpunkte einzugehen, können eine wichtige Rolle spielen. Dabei sind soziale Netzwerke eine optimale Diskussionsplattform, auf der man mit den unterschiedlichsten Menschen, Themen und Meinungen in Kontakt treten kann.

Bedeutung der Studie für Unternehmen

Die Studie beschäftigt sich zwar mit einem gesellschaftlichen Thema, jedoch sind die Ergebnisse auch für Unternehmen interessant. Denn auch ihre Produkte und ihr Auftreten werden auf sozialen Netzwerken bezüglich Faktoren wie Preis, Qualität und Image von YouTubern oder Bloggern bewertet. Sie beeinflussen online das Meinungsklima zu einem bestimmten Unternehmen oder Produkt.

Fazit:    

Personen, die repräsentativ für eine Gruppe stehen, beeinflussen die Wahrnehmung des Meinungsklimas – wenn auch nur online. Dies können sich Unternehmen zunutze machen, indem sie z.B. mit Bloggern, YouTubern oder Journalisten zusammen arbeiten. Denn deren Meinung wirkt stärker und kann das Meinungsklima zugunsten des Unternehmens oder der Produkte beeinflussen.

15-06-03_Merke
  • Die Meinung von Exemplars beeinflusst die Wahrnehmung des Meinungsklimas im Internet
  • Widerspricht die Meinung der Exemplars der eigenen Meinung, sinkt die Bereitschaft sich zu äußern
Methode-Button
  • Online-Experiment mit 364 Teilnehmern
  • Aufteilung auf sechs Experimentalgruppen und eine Kontrollgruppe
  • Abspielen eines kurzen Videoclips
  • Im Anschluss: Facebook-Diskussion und Befragung der Wahrnehmung der öffentlichen Meinung sowie der Meinung der Internetnutzer zu Thema sowie Bereitschaft sich zu äußern

📖 Weiterlesen: Zerback, T., & Fawzi, N. (2016). Can online exemplars trigger a spiral of silence? Examining the effects of exemplar opinions on perceptions of public opinion and speaking out. New Media & Society. Online first.

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