Zum Inhalt springen

Nichts als die Wahrheit?

Lesedauer: 4 Minuten

Wie PR-Praktiker sich selbst belügen und so einen besseren Job machen.

oreingenommen, unethisch und sogar von Natur aus täuschend – Public Relations haben oftmals einen schweren Stand in der Gesellschaft. PR-Praktiker sehen sich täglich damit konfrontiert, gegensätzliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen, ohne dabei der Reputation ihres Unternehmens zu schaden. Um damit umzugehen, handeln sie in einem Zustand der Selbsttäuschung. Was das für die PR bedeutet, erklären Jens Seiffert-Brockmann von der Universität Wien und Kerstin Thummes von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Selbsttäuschung

Was ist damit gemeint? Überzeugen sich Personen selbst davon,  dass eine Täuschung wahr ist, spricht man von Selbsttäuschung. Seiffert-Brockmann und Thummes unterscheiden zudem zwischen zwei Varianten der Selbsttäuschung: Zum einen könne man den Wahrheitsgehalt einer Information ändern, indem man selbst daran glaube, dass sie wahr sei. Und zum anderen könne man den Akt des Lügens für sich selbst legitimieren. Die Gründe müssten nur gut genug sein.

Warum täuschen wir uns selbst?

Ein bisschen ist das wie bei Pipi Langstrumpf. Die macht sich ihre Welt ja auch, wie sie ihr gefällt. Was hat das mit PR zu tun, fragst du dich?

Einerseits entstehen in der täglichen PR-Arbeit immer wieder Situationen, in denen verschiedene Auffassungen „der Wahrheit“ aufeinanderprallen. Andererseits sind Unternehmen externen sozialen Erwartungen ausgesetzt, denen sie im besten Falle gerecht werden sollten. Doch kurzfristige Unternehmensziele sind oftmals nicht mit langfristigen oder sozialen Anforderungen externer Anspruchsgruppen vereinbar. Zudem haben PR-Praktiker auch immer eigene Überzeugungen, die nicht zwangsweise mit denen ihres Unternehmens übereinstimmen müssen. Wann immer Personen gegen ihre eigene Überzeugung handeln, müssen sie diese so anpassen, dass Widersprüche eliminiert werden, erklären die Wissenschaftler. Hier könne bewusste oder unbewusste Selbsttäuschung helfen.

Was bringt Selbsttäuschung für die PR?

Seiffert-Brockmann und Thummes sehen in der Praktik der Selbsttäuschung gleich mehrere Vorteile für die PR: Sei man selbst davon überzeugt, moralisch zu handeln, reduziere das den mentalen Stress, dem PR-Praktiker täglich ausgesetzt sind. Zudem stärke Selbsttäuschung die positive Selbstwahrnehmung und den Glauben an sich selbst. Jemand, der sich selbst täuscht, sei also auch leichter in der Lage andere zu täuschen. Jeder Erfolg, der auf Selbsttäuschung basiere, mache den nächsten Erfolg wahrscheinlicher (Winner-Effect). Zudem sinke die Gefahr, entdeckt zu werden. Denn im Zustand der Selbsttäuschung ließe sich leichter vorgeben, dass Organisations- und externe Stakeholder-Interessen zusammenpassen – auch wenn dies nicht der Fall ist. Der Zustand der Selbsttäuschung könne zudem dazu genutzt werden, sich Stück für Stück an die externen Erwartungen anzupassen. Während man vorgebe, den Anforderungen bereits gerecht zu werden, bleibe Zeit, dies zu erreichen (Proteus Effect).

Die Wahrscheinlichkeit für Selbsttäuschung in der PR hängt laut der Wissenschaftler davon ab, wie eng die Führungsebene mit der Kommunikationsabteilung zusammenarbeitet. Sei diese stets gut informiert, könne sie Einfluss auf das Management nehmen und Selbsttäuschung werde unnötiger und unwahrscheinlicher. Ein weiterer Faktor sei die Größe des Unternehmens. Je größer und komplexer die Organisation, desto höher die Wahrscheinlichkeit für konfliktreiche Interessen und somit auch für Selbsttäuschung als Lösungsweg. Gibt es „gute Gründe“, zum Beispiel eine vermeintlich schützende Intention hinter der Täuschung, geschehe diese zudem häufiger.

Fazit

Folgt man der Argumentation der Wissenschaftler, so ist Selbsttäuschung eine brauchbare Strategie für PR-Praktiker, um Konflikte zwischen gegensätzlichen Wahrnehmungen „der Wahrheit“ und der Legitimität von Handlungen zu lösen. Sie gehen sogar noch weiter: Selbsttäuschung helfe dabei, einen besseren Job zu machen. Gerade in Krisensituationen bestehe großes Potential, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Nur ein Haken bleibe: langfristig lassen sich auch durch Selbsttäuschung echte Interessenkonflikte nicht lösen.

15-06-03_Merke
  • Selbsttäuschung kann dabei helfen, Widersprüche zwischen Überzeugung und Handeln zu eliminieren
  • Selbsttäuschung kann mentalen Stress reduzieren
  • Maß an Selbsttäuschung hängt davon ab, wie eng die Führungsebene mit der Kommunikationsabteilung zusammenarbeitet
  • Je größer und komplexer ein Unternehmen, desto mehr konfliktreiche Interessen und desto mehr Selbsttäuschung
  • Selbsttäuschung ist keine langfristige Problem-Lösungs-Strategie
Methode-Button
  • Arbeit auf Basis von theoretischen Grundlagen aus der Evolutionspsychologie und Soziologie
  • Ergebnis: Theoretisches Rahmenmodell für die Ursprünge, Treiber und Funktionen von Selbsttäuschung in der PR 

📖 Weiterlesen: Seiffert-Brockmann, J., Thummes, K. (2017). Self-deception in public relations. A psychological and sociological approach to the challenge of conflicting expectations. Public Relations Review, 43 (2017), 133-144.

Bildquelle: www.flickr.com

Autor/in

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Ihren Besuch stimmen Sie dem zu.