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Kennt eigentlich jeder den Deutschen Kommunikationskodex?

Lesedauer: 4 Minuten

Ich beantworte die Frage gleich selbst: Nein. Und ergänze: Leider. Seit fast zehn Jahren gibt es diesen verbindlichen Ethik- und Verhaltensrahmen für die PR-Branche. Er enthält Erläuterungen zu den zentralen Normen und Zielwerten, auf die sich Public Relations und Kommunikationsfachleute berufen sollten: Transparenz, Integrität, Fairness, Wahrhaftigkeit, Loyalität und Professionalität. Zusammen mit weiteren Richtlinien und den internationalen Kodizes ist er bindend für die Spruchpraxis des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR)

Der DRPR hat die Aufgabe, Missstände und Fehlverhalten bei der Kommunikation von Organisationen mit Öffentlichkeiten zu benennen und gegebenenfalls zu rügen. Er bearbeitet dabei alle Fälle, die als Beschwerde an ihn herangetragen werden oder die er (z. B. aufgrund von Medienberichterstattung) in Eigeninitiative behandelt. Zu den Akteuren, die – meist absichtlich, zuweilen unbewusst – die Kodizes durch ihr Handeln verletzen oder gleich ganz ausblenden, gehören z.  B. die Agentur, die Wissenschaftskommunikation mithilfe wissentlicher Falschbehauptungen betreibt, der Kommunikationschef, der eine falsche Nachricht tagelang nicht dementiert; die Ministeriumspressestelle, die Radiobeiträge sponsert und dies verschleiert, der Marketingchef, der Journalisten First Class zu Recherchen fliegen lässt und auf positive Berichterstattung hofft, und der vermeintlich unabhängige Blogger, der in Wirklichkeit auf der Payroll einer Organisation steht.  

Diese Beispiele für Abweichungen vom Pfad der Tugend sind auch ein hervorragender Ausgangspunkt, das eigene Handeln kritisch unter die Lupe zu nehmen. Als Agenturchef missfallen mir z. B. Kollegen, die in Pitches den potenziellen Kunden Erfolge versprechen, die sie zwar sicher mit aller Kraft zu erreichen versuchen, nicht aber verbindlich zusagen können. Dennoch Garantien für Medienveröffentlichungen, eine Vielzahl von Likes oder gar konkrete Meinungsänderungen der Zielgruppen zu geben, ist in der Öffentlichkeitsarbeit nun mal nicht nur schwierig, sondern es ist auch unlauter – auch wenn es der potenzielle Kunde gerne hört.  

Wann haben wir dieses Thema zum letzten Mal zum Inhalt einer Diskussion in der Agentur gemacht? Und: Kennen eigentlich alle den potenziellen Zielkonflikt zwischen Loyalität und Wahrhaftigkeit? 

Es gibt wohl kaum einen PR-Berater, der nicht ganz genau definiert hätte, welchen Kunden er niemals betreuen würde, und welche Branchen er, leitliniengerecht, meidet wie der Teufel das Weihwasser. Waffenhändler, Atomkraftwerksbetreiber, Pharmaunternehmen – sie alle stehen gerne auf der schwarzen Liste. Was aber, wenn mitten in einer Pandemie ein Pharmaunternehmen auf ihn zukommt, das Aussichten hat, einen Impfstoff durch die Zulassung zu bringen, und das um Unterstützung bei der Aufklärungsarbeit bittet? Bleibt er integer, wenn er hier zusagt?  

Ein Drittes noch: Selbstverständlich sind Wettbewerber bestehender Kunden ein Tabu. Ausgenommen, man hat es beiden Parteien transparent gemacht und keine Einwände gehört. Dann muss man sich hier keinen Kopf mehr machen. Wirklich? Sind die PR-Berater tatsächlich in der Lage, jeweils faire Ausgangsbedingungen zu schaffen und beide mit der gleichen, aber unabhängigen Professionalität zu unterstützen? 

Mit dem Deutschen Kommunikationskodex steht der Branche eine hervorragende Richtlinie für ethisches Handeln zur Verfügung. Erschreckend, dass viele Öffentlichkeitsarbeiter diesen schlichtweg nicht kennen. Während andere Berufsgruppen zum Einhalten ethischer Grundsätze verpflichtet werden – man denke z. B. an den Hippokratischen Eid –, haben viele Hochschulabsolventen im Verlauf ihres Studiums nie etwas über die Branchenkodizes gehört. Noch immer ist der Kommunikationskodex nicht überall fester Bestandteil von Arbeitsverträgen PR-Schaffender. Ein Blick in dieses Normenwerk lohnt; aber erst die Diskussion über Werte und über ethisch richtiges Handeln führt es aus dem Elfenbeinturm in die Realität des PR-Alltags, macht es praxistauglich und sichtbar nach außen. In Zeiten, in denen Kommunikation so viele Gesichter hat, sind solche Richtlinien ganz entscheidend, um die Glaubwürdigkeit unserer Branche nachhaltig zu sichern. 

Veit Mathauer ist Geschäftsführer der Sympra GmbH (GPRA) Agentur für Public Relations und Mitglied im Deutschen Rat für Public Relations (DRPR)  

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Sympra

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