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Corporate Publisher – Journalist oder PR-Akteur?

Lesedauer: 4 Minuten

Corporate Publishing ist aktuell eines der am schnellsten wachsenden Felder der Branche. Seine Produkte stehen zwischen PR und Journalismus, aber wo fühlen sich seine Autoren heimisch?

Corporate Publishing befindet sich an der Schnittstelle zwischen PR und Journalismus. Als spezielle Form der strategischen Kommunikation dient es vor allem der Imagepflege und kommuniziert Organisationsinteressen an spezifische Zielgruppen (Kunden, Nutzer etc.). Charakteristisch ist die journalistische Aufbereitungsform der Inhalte: Stilistisch, optisch und auch thematisch liegen Journalismus und Corporate Publishing nah beieinander. Leser der meist kostenlos verfügbaren Corporate Publishing-Angebote, wie beispielsweise Kundenmagazine, erwarten dementsprechend eine ähnliche Leistung wie die des Journalismus: Informationen, Erklärung komplexer Themen, Unterhaltung, Entspannung und Ratschläge. Gerade deshalb sind journalistische Fähigkeiten gefragt. Was auch ein Grund sein könnte, weshalb immer mehr freie Journalisten sich in diesem Bereich ein zweites Standbein aufbauen. Corporate Publisher sollten aber nicht nur journalistische Normen beachten, sondern auch die der PR. Das ist allerdings nicht ganz einfach: von Auftragskommunikatoren, die ihre Organisation in ein positives Licht rücken sollen, wird gleichzeitig auch eine unvoreingenommene und objektive Berichterstattung erwartet.

Wie viel Journalist steckt in Corporate Publishern?

Während die Berufsfelder PR und insbesondere Journalismus bestens erforscht sind, existieren zu Corporate Publishing bisher nur wenig bis gar keine Studien. Deshalb ist Thomas Koch von der Universität Mainz der Frage nachgegangen, wie viel Journalismus – beziehungsweise PR – konkret im Corporate Publishing steckt. In einer quantitativen Befragung wurden deutsche Corporate Publishing-Autoren zu ihrer Ausbildung, Karriere sowie ihrem beruflichen Selbstverständnis befragt. Neben der Frage, inwiefern sich die PR- und Journalismus-Funktionen in ihren Aufgaben widerspiegeln, wurde auch der Arbeitsalltag sowie die Relevanz von Wahrheit untersucht.

Ausbildung und Karriere

Grafik 1_Ausbildung und Karriere_by FreepikMehr als ein Drittel der befragten Autoren hat eine journalistische Ausbildung hinter sich, während weniger als ein Fünftel ein Trainee-Programm im PR-Bereich abgeschlossen hat. Die klassisch journalistische Ausbildung überwiegt somit bei Corporate Publishern. Ungefähr die Hälfte der Befragten war jedoch vor ihrer jetzigen Tätigkeit auch in anderen PR-Bereichen tätig.

Selbstverständnis und Rolle 

Grafik2_Selbstverständnis_by FreepikZwei Drittel der Autoren sehen sich selbst als PR-Schaffende, während nur wenige sich als Journalisten betiteln würden. Andere sehen sich hingegen eher zwischen den beiden Berufsrollen. Anders sieht es aus, wenn man sich die Aufgaben der unterschiedlichen Berufsfelder anschaut. Hier gibt es große Überschneidungen zwischen den Kernaufgaben der Corporate Publisher und denen der Journalisten. Die Verbreitung von Informationen und die Erklärung von komplexen Sachverhalten sind für beide Berufsgruppen Kernelement ihrer Arbeit. Allerdings weisen Corporate Publisher der reinen Information keine Schlüsselrolle zu. In Bezug auf die Informationsfunktion gibt es außerdem einen weiteren gravierenden Unterschied: Corporate Publisher sind keine neutralen Berichterstatter, sondern berichten positiv über ihre Organisation. Ihr Ziel ist die Imagestärkung sowie das Überzeugen der Stakeholder – klare PR-Arbeit also. Nur ein Drittel der Corporate Publisher sieht sich als Ratgeber und Unterhalter. Wenn die Autoren in dieser Funktion auftreten, dann jedoch häufiger als Trendsetter und weniger als Berater. Der kritische Reporter, welcher Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durch seine objektiv-kritische Berichterstattung kontrolliert, ist im Selbstverständnis der Corporate Publishing-Autoren nicht zu finden.

Ähnlichkeit zum journalistischen Arbeitsalltag

Grafik 3 Arbeitsalltag_by FreepikDie Mehrheit der Corporate Publisher sieht in ihrem täglichen Job kaum Parallelen zu dem Arbeitsalltag von Journalisten, wünschen sich jedoch für ihre eigene Arbeit mehr journalistische Freiheit. Corporate Publishing scheint für die Mehrheit vor allem eines zu sein: eine sichere Alternative zum fragilen Berufsfeld des Journalismus. 67% würden für dasselbe Gehalt lieber im klassischen Journalismus arbeiten.

Journalist, PR-Akteur oder beides?

Corporate Publishing-Autoren sind zumeist klassisch journalistisch ausgebildet und fühlen sich diesem Berufsfeld immer noch verbunden. Die Studie zeigt, dass es große Überschneidungen zum Journalismus nicht nur bezüglich der Arbeitserfahrung, sondern auch hinsichtlich der zentralen Aufgaben gibt. Allerdings spricht eines deutlich gegen ein rein journalistisch geprägtes Selbstverständnis von Corporate Publishing: die Repräsentation von Organisationsinteressen, die persuasive Kommunikation mit Stakeholdern sowie die positive Darstellung der Organisation dominieren den Kommunikationszweck. Da Corporate Publisher Aspekte beider Berufsrollen vereinen, sollte in Zukunft nicht danach gefragt werden, ob sie näher am Journalismus oder an der PR sind. Vielmehr sollte Corporate Publishing als eigenständiges Berufsfeld betrachtet werden.

15-06-03_Merke
  • Corporate Publisher sind überwiegend journalistisch ausgebildet
  • Corporate Publishing weist viele Parallelen zum Journalismus auf
  • Corporate Publisher sehen sich selbst jedoch vermehrt als PR-Akteure
  • Die strategische Ausrichtung und die imagestützende Funktion sprechen ebenfalls für die Nähe zur PR
  • Viele Autoren wünschen sich mehr journalistische Freiheit in ihrem Arbeitsalltag
Methode-Button
  • Quantitative Befragung von 197 Corporate-Publishing Autoren in Deutschland (Rücklaufquote: 16%)
  • Dreistufiger Auswahlprozess: 1. Internet-Recherche, 2. Kontaktieren von 1250 potenziellen Teilnehmern, 3. 14.01.2015: Versenden personalisierter Emails mit Bitte um Teilnahme
  • Demografische Merkmale der Teilnehmer: 52,3 % Männer, 48,7% Frauen; Durchschnittsalter 41,27 Jahre; 81,2 % Universitätsabschluss; 48,7% arbeiten in Unternehmen, 43,1% arbeiten in Agenturen, 8,1% sind selbstständig
  • Einschränkung: Repräsentativität eingeschränkt, da keine Zufallsstichprobe vorliegt

📖 Weiterlesen: Koch, T. (2016). Journalisms or public relations? A quantitative survey of custom publishing editors in Germany. Public Relations Review, 42, 345-352.

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