Zum Inhalt springen

Beinahe-Unfall: Wie Vertrauen zurückgewonnen wird

Lesedauer: 5 Minuten
Key Facts
  • Erfahren Beinahe-Unfälle mediale Aufmerksamkeit, sinkt die Vertrauenswürdigkeit der betroffenen Organisationen.
  • Entschuldigen hilft, um das Vertrauen zurückzugewinnen. 
  • Ein Vertrauensverlust gegenüber einer Organisation wirkt sich auch auf das Vertrauen der gesamten Branche und Technik aus.

Beinahe-Unfälle – Was passiert, wenn eigentlich nichts passiert

„Zwei Flugzeuge zusammengestoßen“. Würde diese Katastrophe eintreten, wäre allen Verantwortlichen klar: Jetzt brauchen wir gute Krisenkommunikation, um Vertrauen zurückzugewinnen. Aber wie ist das, wenn die Katastrophe in letzter Minute verhindert werden konnte? Medien berichten häufig über Beinahe-Unfälle und erzeugen damit eine enorme Reichweite. Welche Auswirkungen haben Schlagzeilen über Beinahe-Unfälle und wie sollte die betroffene Firma am besten reagieren? Darauf geben die Forscherinnen Amisha Mehta, Lisa Tam, Dominique Greer und Kate Letheren in ihrer Studie Antworten. In einem Experiment wollten sie herausfinden, wie die Berichterstattung über einen Beinahe-Unfall das Vertrauen der Menschen in das betroffene Unternehmen beeinflusst. Außerdem untersuchten sie, welche Kommunikationsstrategie sich am besten eignet, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. In den Ergebnissen stecken nützliche Tipps für alle, die im Falle einer Krise erfolgreich kommunizieren möchten. 

Beinahe-Unfälle als Krise

Selbst, wenn etwas fast schief gegangen wäre, kann es eine Unternehmenskrise auslösen. Und obwohl vermeintlich nichts passiert ist, sollte man die Folgen eines solchen Vorfalls nicht unterschätzen. Die Studie von Mehta und ihren Kolleginnen zeigt, dass mediale Berichterstattung über Beinahe-Unfälle eine negative Wahrnehmung erzeugt und sich damit kaum von tatsächlichen Unfällen unterscheidet.

Vertrauensverlust – nicht nur für die Firma

Dabei ist vor allem der Grund für den potenziellen Unfall entscheidend. Ist der Grund ein interner technischer Fehler, hat dieser größere negative Folgen als ein externer Grund wie zum Beispiel ein Naturereignis. 

Ist Vertrauen erst einmal verloren, zieht das große Kreise: Die Studie belegt, dass sich die Vertrauenswürdigkeit einer Organisation sogar auf die Branche und die Technologieakzeptanz überträgt – sowohl zum Guten wie zum Schlechten. Das heißt, verliert eine Firma das Vertrauen der Menschen, kann auch die gesamte Branche eine Vertrauenskrise erleiden. Wunderlich ist das nicht, denn stürzt ein Flugzeug ab, verlieren die Menschen an Vertrauen und wollen weniger fliegen. Somit scheint die Vertrauenswürdigkeit als enorm wichtig für das Image von Firmen und Branchen. 

Lieber entschuldigen statt leugnen

Sind die Schlagzeilen erstmal öffentlich, kommt es auf die richtige Kommunikationsstrategie an. Den Beinahe-Unfall leugnen, eine Ausrede finden oder sich entschuldigen – die Wirkung dieser drei Krisenkommunikations-Strategien wurden im Experiment erforscht.

Das Ergebnis: Den Vorfall zu leugnen oder sich in Ausreden flüchten sollte man vermeiden. In der Studie verstärkten diese zwei Strategien den Vertrauensverlust sogar noch weiter.

Nur die Entschuldigung konnte einen weiteren Vertrauensverlust stoppen. Anders als erwartet war der Grund des Beinahe-Unfalls irrelevant. Also egal, ob interner oder externer Auslöser für den Vorfall, mit einer Entschuldigung konnte das Vertrauen der Menschen wieder erhöht werden. 

Wer jetzt denkt, mit einer Entschuldigung sei alles wieder vergessen, täuscht sich allerdings. Eine Entschuldigung der Firma konnte zwar das verlorene Vertrauen teilweise wieder herstellen, aber keinesfalls vollständig. Die Studie zeigt, dass der Vertrauensverlust auch durch eine einmalige Entschuldigung weiterhin bestehen bleibt, nur eben nicht mehr ganz so schwer wie vorher. Die Forscherinnen raten den Firmen, mehrfach zu kommunizieren, um das Vertrauen noch effektiver wiederherzustellen.

Zukünftige Beinahe-Unfälle richtig kommunizieren

Es steht fest, mediale Aufmerksamkeit durch Beinahe-Unfälle kann sowohl Firmen und Branchen enorm schaden. Um eine Vertrauenskrise abzudämpfen, sollten zuständige Kommunikator:innen die Ursache des Vorfalls geschickt in der Krisenkommunikation einsetzen. Außerdem lässt sich mit einer Entschuldigung das verlorene Vertrauen teilweise zurückgewinnen, wobei ein Vertrauensverlust trotzdem bleibt. 

Methode Symbol
  • In der Studie haben 435 Teilnehmer:innen an einem Szenario-basierten Experiment teilgenommen. Das Thema war ein Beinahe-Zusammenstoß von zwei Drohnen. 
  • Die Teilnehmenden haben drei Zeitungsartikel gelesen. Im ersten wurde generell über Drohnen erzählt, im zweiten über den Beinahe-Zusammenstoß und im dritten wurde über das Statement der Firma zum Vorfall berichtet. Nach jedem Artikel beantworten die Teilnehmer:innen, wie sehr sie der Firma, der Branche und der Technologie von Drohnen vertrauen. 
  • Sowohl die Ursache für den Beinahe-Unfall als auch die jeweilige Statement-Strategie wurden im Experiment variiert. Die Ursachen unterschieden sich zwischen a) externe und nur leicht kontrollierbare und b) interne und stark kontrollierbare. Die Strategien waren entweder a) den Beinahe-Unfall leugnen, b) Ausreden nennen oder c) sich entschuldigen. 

Weiterlesen: Mehta, A. M., Tam, L., Greer, D. A. & Letheren, K. (2020). Before crisis: How near-miss affects organizational trust and industry transference in emerging industries. Public Relations Review, 46(2), 101886-101893.

AutorIn
Eva Dettki

Weitere Blogbeiträge zum Thema:

Image retten auf YouTube: In Krisen um Entschuldigung bitten

Shit happens – CSR-Aktionen helfen Unternehmen aus der Patsche

Krisenbewältigung: das Medium als Botschaft nutzen?

Autor/in

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Ihren Besuch stimmen Sie dem zu.