Galt IKEA vor einiger Zeit noch als Exot, weil dort ausnahmslos geduzt wurde, so wird inzwischen auch in mittelständischen Traditionsunternehmen oder in Stellenanzeigen von Weltkonzernen geduzt. Für Unternehmen stellt sich daher die Frage: Brauchen wir eine Duz-Kultur?
Welche Anrede – vom Vorstellungsgespräch, bis zur Kommunikation mit Führungskräften – am besten ankommt, hat eine Studie von Uwe Peter Kanning, Franziska Kempa und Sarah Winkelmann untersucht.
Anredekultur vorschreiben?
Unternehmen halten ihre Ziele und Visionen gerne schriftlich fest – zum Beispiel in Unternehmensphilosophien, -strategien, und -kulturen. In diesen werden unter anderem Ziele, Mentalitäten und Visionen des Unternehmens geregelt. Kann es also sinnvoll sein, auch die Anredekultur festzulegen und vorzuschreiben?
Die Studie von Uwe Peter Kanning, Franziska Kempa und Sarah Winkelmann zeigt, dass die wenigsten Mitarbeitenden eine vorgeschriebene Anredekultur befürworten – viel lieber entscheiden sie individuell, wen sie duzen und wen sie siezen. Egal ob Führungskraft oder Auszubildende:r, jung oder alt. Gibt es jedoch eine festgelegte Anredekultur, wird eine verordnete Sie-Kultur noch stärker abgelehnt als eine verordnete Du-Kultur.
Wir suchen dich - das Duzen in Stellenanzeigen ist gar nicht so vorteilhaft
Welche Präferenzen gibt es bei der Anrede im Bewerbungsprozess? Auch hier zeigt die Studie eindeutige Ergebnisse. Sowohl Auszubildende und Praktikant:innen, als auch feste Mitarbeitende und Führungskräfte bevorzugen während des gesamten Bewerbungsprozesses das Sie. Das bedeutet, dass die Befragten sowohl in der Rolle des Bewerbers oder der Bewerberin, als auch in der Rolle des Interviewers oder der Interviewerin ungern das Du verwenden – angefangen bei den Formulierungen in Stellenanzeigen bis hin zum Vorstellungsgespräch.
Wie Unternehmen am besten ihre Kund:innen ansprechen
Eine weitere wichtige Personengruppe für Unternehmen sind die Kund:innen. In der Studie von Kanning, Kempa und Winkelmann sollten sich die Befragten sowohl in die Rolle der Mitarbeitenden als auch in die der Kund:innen versetzen. Am wenigsten beliebt war die Vorschrift, Kund:innen einheitlich duzen zu müssen. Deutlich positiver bewerteten Mitarbeitende das Modell alle Kund:innen ausnahmslos siezen zu müssen.
Auch bei der Ansprache der Kund:innen wird deutlich, dass die Variante am besten ankommt, bei der Mitarbeitende individuell entscheiden können, wie sie Kund:innen ansprechen. Dabei spielt weder das Alter noch die Position eine Rolle.
Du – demografischer oder gesellschaftlicher Wandel?
In der Diskussion um die Anredekultur wird häufig die Frage gestellt, ob es Generationenunterschiede gibt und ob das Duzen eher ein Trend der jüngeren Generationen ist. Die Studie zeigt jedoch, dass die Präferenzen über die Generationen hinweg ähnlich sind. Das verdeutlicht, dass sich die Gesellschaft insgesamt in dieser Hinsicht verändert, diese Veränderung aber alle Generationen gleichermaßen betrifft.
Zwischenmenschlichkeit und Individualität sind das A und O
Durch die Studie von Uwe Peter Kanning, Franziska Kempa und Sarah Winkelmann wird deutlich, dass an vielen Stellen im Unternehmen am liebsten individuell entschieden wird, wie das Gegenüber angesprochen wird. Die Quintessenz der Studie ist also, dass Unverbindlichkeit und Individualität unverzichtbar sind – manchmal fühlt es sich richtig an eine Führungskraft zu duzen, manchmal eben nicht. Gleiches gilt für Auszubildende, Kund:innen oder auch Bewerber:innen. Zwischenmenschlichkeit lässt sich nicht auf Papier festhalten und genau deshalb wünschen sich die meisten eine individuelle und selbstbestimmte Anredekultur im Unternehmen.
Die Top 3 Handlungsempfehlungen:

Als Unternehmen keine Anredekultur vorschreiben und den Mitarbeitenden die Freiheit lassen, wie sie angesprochen werden wollen und wie sie auf ihr Gegenüber zu gehen
In Stellenanzeigen und im Bewerbungsprozess eher das „Sie“ nutzen
Im Kontakt mit Kund:innen formell bleiben und siezen
Angaben zur Studie
Autor:innen: Uwe Peter Kanning, Franziska Kempa & Sarah Winkelmann
Methode: Online-Befragung
Stichprobe: Auszubildende, Praktikant:innen, feste Angestellte und Führungskräfte (N=1.306)
Durchschnittsalter: 29 Jahre (Probanden zwischen 15 und 65 Jahren)