Die PR-Forschung ist nach wie vor zu weit von der Praxis entfernt. Aber ist nur die Wissenschaft an dieser Kluft schuld?
ass Theorie und Praxis in den meisten Fällen zwei Paar Schuhe sind, ist nichts Neues. Das ist auch in der Public Relation so. Dabei könnten beide Seiten so viel voneinander lernen. Die belgischen Forscher An-Sofie Claeys und Michael Opgenhaffen haben sich genauer mit der spannungsreichen Beziehung von Theorie und Praxis befasst.
Praktiker pfeifen zu oft auf die Theorie
Zwar sind die meisten Praktiker professionell in ihrem Berufsfeld ausgebildet und verfügen über theoretisches Hintergrundwissen – die aktive Anwendung dieses Wissens in der Praxis finde laut Claeys und Opgenhaffen aber nur selten statt. Mit dem erfolgreichen Uni-Abschluss – so scheint es – werde auch mit der Wissenschaft abgeschlossen. Drei Hauptgründe gäben den Ausschlag für diese Tatsache. Das größte Problem sei, dass theoretische Erkenntnisse und Studien für die Praxis zu abstrakt und unverständlich formuliert seien. Des Weiteren seien das Bauchgefühl, die Intuition und die gemachten Erfahrungen ausschlaggebender, wenn es darum ginge, handeln zu müssen.Zuletzt spiele in der Praxis die situative Komponente (schnelles Reagieren, Rechtslage im eigenen Land, Managementbeschlüsse) eine entscheidende Rolle. Diese Komponente schließe häufig das Handeln nach theoretischer Empfehlung aus.
Redet mehr miteinander!
Theorie und Praxis können sich gegenseitig unterstützen. Um das zu erreichen, müsse jede Partei – sowohl die Forschung als auch die Praxis – jeweils einen Schritt auf die andere zugehen. Bezogen auf den Forschungsbereich bedeute das, dass mehr maßgeschneiderte und verständliche Leitfäden und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden sollten. Die Bemühungen müssten über Best Practice Beispiele hinausgehen. Mit Hilfe von Workshops, Konferenzen und gezielter Zusammenarbeit mit Praktikern könne erreicht werden, dass mehr als eben diese Beispiele entstehen. Des Weiteren helfe ein freier, unkomplizierter Zugang zu den Forschungsergebnissen. Meist würden diese in wissenschaftlichen Journalen und Tagungen bekannt gegeben – fernab von Praktikern. Heutzutage solle auch die Wissenschaft über den Tellerrand blicken und mit Hilfe von Social Media eine Brücke in die praktische Wirklichkeit schlagen. Beispielsweise könnten Studienergebnisse vom Forscher selbst über Blogs, Vlogs oder auch Twitter und Weblinks problemlos in die Berufswelt getragen werden. Auch eine Veröffentlichung in Managerzeitschriften sei ein denkbarer Weg, um Praktiker auf ein Thema aufmerksam zu machen.
Auf der anderen Seite sollten sich auch Praktiker mit der Wissenschaft befassen. Ein Ansatz sei hier, im Alltag bei bestimmten Problemen auf die Forschung zuzugehen und gezielt nach Meinungen und Ratschlägen zu fragen. Auch bei Terminen und Blogbeiträgen stelle die Einbindung und Einladung von Wissenschaftlern eine denkbare Lösung dar. Praktiker und Theoretiker sollten auf Augenhöhe kommunizieren.
Ein Miteinander – kein Gegeneinander
Alles in allem wird deutlich, dass es, um die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen, unabdingbar ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ein erster Schritt ist der regelmäßige Austausch und das Entwickeln einer gemeinsamen Sprache.
© Foto von Baim Hanif